Schweizerischer Nationalfonds: Eine soziologische Untersuchung der sozialen Sicherungssysteme

24.03.2011, Die so genannte Interinstitutionelle Zusammenarbeit (IIZ) soll den Sozialstaat effizienter und kostengünstiger machen und die Unterstützungsberechtigten schneller in den Arbeitsmarkt eingliedern. Dieses Instrument weist freilich Mängel auf. In Betracht zu ziehen wäre vielmehr eine einheitliche Anlaufstelle für alle Sicherungssysteme (Sozialhilfe, Arbeitslosenversicherung, IV). Zu diesem Schluss kommt eine vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte Studie.
Vor rund zehn Jahren haben Verwaltung und Politik die so genannte Interinstitutionelle Zusammenarbeit (IIZ) lanciert. Diese soll die Kooperation zwischen der Arbeitslosenversicherung (ALV), der Invalidenversicherung (IV) und der Sozialhilfe in allen Kantonen verbessern. Dank IIZ sollen Erwerbslose mit «komplexer Mehrfachproblematik» schneller in den Arbeitsmarkt reintegriert werden. Bei dieser verhältnismässig kleinen Gruppe von Erwerbslosen ist das Risiko des Drehtüreffekts gross, d.h. sie werden häufig von einer unterstützenden Stelle zur nächsten geschoben.
Die IIZ geht nicht vom Klienten aus
Die Soziologin Eva Nadai von der Fachhochschule Nordwestschweiz hat mit ihrem Team zwei ethnographische Fallstudien zu zwei IIZ-Projekten in den Kantonen Basel-Stadt und Aargau durchgeführt. Die Forschenden begleiteten während mehrerer Monate vierzehn Klientinnen und Klienten und untersuchten die involvierten Institutionen mit Interviews und teilnehmender Beobachtung. Sie kommen zum Schluss, dass das Instrument IIZ mit Mängeln behaftet ist.
Nach wie vor geht der Sozialstaat nicht, wie von der IIZ angestrebt, von den einzelnen Fällen aus, sondern teilt diese nach formalen Zuständigkeiten den verschiedenen Institutionen (ALV, IV, Sozialhilfe) zu. Der Grund: Die dafür notwendigen rechtlichen Regelungen wurden nicht geändert. Da die IIZ keine neuen Integrationsangebote vorsieht, folgen auf ihre differenzierten Abklärungen nur die standardisierten Unterstützungsmassnahmen (Qualifizierungskurse, Beschäftigungsprogramme).
Zudem werden die zuständigen Institutionen nach wie vor an ihren Integrationserfolgen gemessen. Gelingt die Platzierung eines Klienten auf dem Arbeitsmarkt, verbucht die betreffende Institution sie für sich, gelingt sie nicht, reicht sie den Fall weiter. Mangelhaft ist laut den Forschenden ferner, dass die IIZ weitere unterstützende Institutionen nicht einbezieht und die Unterstützungsmassnahmen zeitlich zu kurz sind. Die Klientinnen und Klienten werden nicht schneller und öfter in den Arbeitsmarkt integriert als nicht in die IIZ eingebundene Erwerbslose. Dieser Befund wird durch eine 2009 im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherung durchgeführte Evaluation in 16 Kantonen erhärtet.
Einheitlicher Finanzierungspool als mögliche Lösung
Die Forschenden empfehlen, dass die Unterstützungsmassnahmen nicht von den einzelnen Institutionen, sondern aus einem gemeinsamen Pool finanziert werden. Zudem sollten die einzelnen Fälle durchgehend von der gleichen Person betreut werden. Damit könnten das Eigeninteresse der einzelnen Institutionen eingedämmt und die vielen personellen Wechsel vermieden werden. Schliesslich empfehlen die Forschenden, eine einheitliche Anlaufstelle für alle Sicherungssysteme zu schaffen; eine Möglichkeit wäre eine «ursachenunabhängige Sozialversicherung».
Medienkontakt:
Prof. Dr. Eva Nadai Fachhochschule Nordwestschweiz Hochschule für Soziale Arbeit CH-4600 Olten Tel.: +41 (0)62 311 96 38 E-Mail: eva.nadai@fhnw.ch
Kontakt:
Wildhainweg 3
3012 Bern
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